Den Hintergrund
dieser website bilden die sieben hellsten Sterne der
"Großen Bärin",
die auch unter dem Namen "Großer Wagen" bekannt sind.
ursa maior
(lat. Große
Bärin)
ist ein
Sternbild
des
Nordhimmels.
Die
Bärin, die Frau und die Göttin
Pan-arktischer
Mythos aus der steinzeitlichen Kultur
des Schenkens und
Beschenkt-Werdens
Quelle: Kaarina Kailo (Hrsg.): Women and Bears;
the Gifts of Nature,
Culture and Gender Revisited, Toronto, 2008
1. Teil:
In dem Goldenen Zeitalter,
als wir noch verwandt waren mit den Tieren, Pflanzen und Steinen, kam
die Große
Bärin in jedem Frühjahr aus ihrer
Höhle am Fuße
eines Baumes hervor, nachdem ihr Abbild den Winter über nur am
nächtlichen
Himmel zu sehen gewesen war und die nördliche
Hemisphäre, in
der sie zu Hause war, von dort aus beschützt hatte.
Sie, die alles Gebende, die Pan-dora,
schüttete ihr Füllhorn aus über die Welt,
und weiß
und rosa schäumte
es in den Bäumen und Sträuchern , auf dem Waldboden
und am
Wegesrand. Die Bienenkönigin ließ ihre treuen
Begleiterinnen
nach
dem langen Winter ausschwärmen, weil ihr Tisch reich gedeckt
war.
Die Luft
war erfüllt vom Duften und Summen, und mit jedem Schritt, den
die Bärin auf der Erde tat, kam neues Leben
hervor.
Der Baum des Lebens,
in dem die Frau
als Abbild der Großen
Göttindes
Lebens und des Todes wohnte, ergrünte von neuem. Die
Bärin hatte in ihrer Höhle am Fuße des
Baumes die Wurzeln geschützt und die Lebenssäfte
bewahrt.
Nun stiegen sie auf in Stamm, Äste, Blüten und
Blätter und begannen von neuem das Spiel des kosmischen
Einatmens
und Ausatmens. Die Frau im Baum als Trägerin der
Lebenserneuerung
verspürte den süßen
Kuß des Lebens und schwang in ihrem eigenen Rhythmus mit.
2. Teil:
Das Jahr schritt voran: die Blüten wandelten sich in
Früchte, und die Bärin ließ die
Säfte kreisen, wenn
sie über das Land ging. Die Sonne verstärkte ihre
Kraft und schickte das Feuer
in die Welt, und die Bienen spielten ihr Spiel mit den Blüten
des Sommers.
Die Göttin
im Lebensbaum wandelte sich von der weißen
Kraft des Frühjahrs in die rote Kraft des
Sommers, und die Frauals
ihr Abbild ging schöpferisch und voller Energie auf dem Pfad
der
Lebenserneuerung. Mit dem Schnitt des Getreides auf dem
Höhepunkt
des Sommers begann die Kraft, sich erneut zu wandeln.
3. Teil:
Die Bärin
verleibte
sich
die Früchte des Sommers ein und ahnte den kommenden Herbst und
den
Winter in ihrem Körper. Sie bereitete sich auf den
Rückzug
und die
Ruhe vor, und alles Lebendige tat es ihr gleich: die Bienen saugten den
Nektar aus den letzten Blüten des Sommers, die
Eichhörnchen sammelten Nüsse, und die Frau
erntete das, was sie gesät hatte, und machte es haltbar
für den Winter.
Die Göttin im Baumstellte
das Wachstum ein und verschenkte die Früchte des Baumes an
ihre
Kinder, die zweibeinigen und die vierbeinigen, die gefiederten und die
beflügelten, die kriechenden und die hüpfenden. Die
Bienen
zogen sich in ihre Stöcke zurück, und die
Stürme des
Herbstes
löschten mit ihrem strömenden Regen die Glut des
Sommers. Das Wasser
reinigte das Land und befreite es von den Spuren des Wachsens und
Reifens.
4. Teil:
Nun ist die Schöpfung bereit für den letzten Akt in
der Dramaturgie des Jahres: die Bärin
zieht sich zurück in die Höhle am Fußes des
Lebensbaums,
und nur
ihr Abbild hält als Große
Bärin (ursa maior)
am winterlichen Nachthimmel die Wacht. Die Bienen bleiben in ihren
Stöcken, und die Frau genießt die Früchte
ihrer Arbeit,
bevor sie
sich vom Leben ausruht im Schoße der Göttin im Baum,
die sich nun als schwarze
Kraft, als
Herrin des Todes, präsentiert. Dieser Tod hat
keinen Schrecken, denn der Baum,
in dem die Göttin und in ihrem Schoße die Frau
wohnt, stirbt
nicht, er wandelt nur sein Aussehen, indem er die Blätter
abwirft und nackt und schwarz da steht. Die Erde
schützt und wärmt die Lebenskraft in den Wurzeln, bis
sie im nächsten Frühjahr
neu hervorbricht.
Die Große
Göttin des Lebens und des Todes bleibt immer sie
selbst; sie zeigt sich in ihrer Schöpfung in verschiedenen
Gestalten im Laufe ihres Jahres, und Bärin,
Biene und Frau sind ihre Helferinnen in diesem
Prozeß von Leben,
Sterben und Neugeburt.
Große
Mutter, in der wir leben, weben und uns gründen, von Dir geht
alles aus, und zu Dir kehrt alles zurück. Öffne
unsere Herzen an diesem schönen Tag; berühre
Körper, Seele und Geist. Begleite uns durch die Tore der
Macht: in Schatten und Sternenlicht, im Feuer, das auf die Erde trifft,
im Wind über dem Meer und im süßen
Kuß des Lebens. Gesegnet sei unsere Reise.
© Annette Rath-Beckmann
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